Atmung und wie sie dein Gehirn beeinflusst

lungs sketch

„Ich mag Atmen. Ich denke, Atemübungen sind gut, weil es sehr schnell passiert, als Golfer oder allgemein als Athlet in die Vergangenheit oder Zukunft abzuschweifen.“

Im Laufe des Tages verläuft unsere Atmung normalerweise vollkommen unbewusst und reguliert sich von selbst. Doch im Gegensatz zu anderen Körperfunktionen, die vom autonomen Nervensystem gesteuert werden, wie die Herzfrequenz oder die Verdauung, können wir unsere Atmung bewusst kontrollieren [1]. Diese bewusste Kontrolle wird im sogenannten „Breathwork“ (Atemarbeit) genutzt. Dies ist ein Oberbegriff für Techniken, bei denen das Atemmuster und die Frequenz gezielt trainiert und verändert werden.

Ein Grund, warum Atemtechniken als wirksam bei Stressbewältigung, emotionaler Regulation und der Förderung weiterer kognitiver Vorteile gelten, ist ihre Stimulierung des Vagusnervs [2]. Dieser Nerv verbindet innere Organe, wie die Lunge und das Herz mit dem Gehirn und reguliert so die Herzfunktion. Er ist Teil des parasympathischen Nervensystems [3], welches Ruhe fördert, Stress reduziert und die Herzfrequenz sinken lässt. Mit anderen Worten können spezifische Atemübungen genutzt werden, um Hirnareale zu stimulieren, die für unbewusste Körperfunktionen zuständig sind und so Stress reduzieren sowie Entspannung fördern.

Obwohl es viele verschiedene Atemtechniken gibt, geben wir im Folgenden einen kurzen Überblick über vier zentrale Ansätze [4].

Verlangsamung der Atmung

Atemanhalten

Das bewusste Anhalten der Atmung nach dem Ein- oder Ausatmen für eine festgelegte Dauer löst verschiedene kompensatorische Mechanismen aus, um die Sauerstoffversorgung des Gehirns sicherzustellen. Beispielsweise führen erhöhte Noradrenalinspiegel zu einer Verengung der Blutgefäße in Armen und Beinen, während sie den Blutdruck steigen lassen [4]. In der anfangs entspannten Phase des Atemanhaltens wird die Aktivität des Vagusnervs verstärkt, was die Herzfrequenz senkt und einen Zustand der Entspannung fördert [4]. Darüber hinaus kann regelmäßiges Atemanhalten als Form von Hypoxietraining genutzt werden, um sportliche Leistungen zu verbessern [4].

Verlangsamte Atmung (slow-paced breathing)

Diese Technik zielt darauf ab, sowohl das Ein- als auch das Ausatmen zu verlängern und zu vertiefen, wodurch die Atemfrequenz auf weniger als 10 Atemzüge pro Minute reduziert wird. Studien zeigen, dass etwa sechs Atemzüge pro Minute am effektivsten sind, um den Vagusnerv zu stimulieren und den sogenannten “Baroreflex” zu aktivieren, welcher den Blutdruck reguliert [4]. Diese Stimulation spiegelt sich in einer erhöhten Herzfrequenzvariabilität (HRV) wider. Das ist der Millisekunden Unterschied zwischen Herzschlägen. Eine höhere HRV weist auf eine stärkere Aktivität des parasympathischen Nervensystems hin, das  – wie erwähnt – einen Zustand der Entspannung fördert [4]. Eine erhöhte HRV wird zudem mit besserer allgemeiner Gesundheit, Langlebigkeit [5] und potenziell verbesserten kognitiven Leistungen assoziiert [6].  Die Vorteile der langsamen Atmung sind vielfältig und umfassen psychophysiologische Vorteile wie verbesserte Resilienz [4], entzündungshemmende Effekte, größere aerobe Ausdauer, verbesserte Lungenkapazität, gesteigertes emotionales Wohlbefinden und bessere Schlafqualität [7]. Außerdem könnten höhere arterielle Sauerstoffwerte, eine erhöhte Herzleistung und ein gesenkter Blutdruck erzielt werden [8]. Langfristige Interventionen mit langsamer Atmung führten in Studien zu Verbesserungen der körperlichen Leistungsfähigkeit [4].

Beschleunigung der Atmung

Beschleunigte Atmung (fast-paced breathing)

Diese Technik beinhaltet rasche Ein- und Ausatmungen, typischerweise mit einer Frequenz von mehr als 20 Zyklen pro Minute [4]. Im Gegensatz zur verlangsamten Atmung erhöht eine beschleunigte Atmung die Herzfrequenz und den Blutdruck, während die Aktivität des Vagusnervs abnimmt [4]. Darüber hinaus werden Hirnareale stimuliert, die an der Informationsverarbeitung beteiligt sind [9,10]. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum während schnellem Atmen kürzere Reaktionszeiten gemessen werden [11]. So wird vermutet, dass schnelle Atmung eingesetzt werden kann, um Energie zu steigern, die Konzentration zu fördern und den Körper auf Aktivität vorzubereiten [4].

Hyperventilation

In stressigen und belastenden Situationen neigen wir oft zu Hyperventilation ohne es zu merken [12]. Dabei übersteigt die Sauerstoffaufnahme die Abgabe von Kohlendioxid, und das Atemmuster wird flach und schnell. So wird diese Atmung häufig mit Schwindel oder einem Benommenheitsgefühl assoziiert, was daran liegt, dass der Blutfluss im Gehirn reduziert wird [13]. Psychologisch kann kurze freiwillige Hyperventilation einen Zustand erhöhter Wachsamkeit erzeugen, allerdings auch Stress und Angst hervorrufen [4]. Hinsichtlich der körperlichen Leistungsfähigkeit im Sport sind die Effekte der Hyperventilation jedoch unklar, da die Forschung keine signifikanten Verbesserungen durch diese Technik zeigen konnte [4].

Einige Atemtechniken verbessern die Leistung, andere nicht

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die vorgestellten Atemübungen genutzt werden können, um entweder das parasympathische oder das sympathische Nervensystem zu aktivieren, wodurch sich der Erregungszustand senken oder steigern lässt [4,9]. Das ist revolutionär, da noch vor etwa zehn Jahren angenommen wurde, dass diese Systeme nicht bewusst gesteuert werden können [14].

Das Verlangsamen der Atmung fördert einen Zustand der Ruhe und Entspannung, der in Sportarten hilfreich ist, die einen klaren Geist und gesteigerte Konzentration erfordern. Im Gegensatz dazu ruft eine beschleunigte Atmung Wachsamkeit und potenziell sogar Stress hervor [4,9], was bei kurzen, intensiven Übungen erwünscht sein kann.

Allerdings bieten nicht alle Atemtechniken universelle Vorteile. Athleten, die ihre Leistung steigern möchten, sollten eine passende Technik auswählen und sich von wissenschaftlich fundierten Experten beraten lassen.

Unser Tipp:

Die bevorzugte Atemtechnik von Ludvig Åberg ist das Box-Breathing – eine Form der langsamen Atmung, die die zuvor erwähnten Vorteile fördert. Diese Methode reduziert die Atemfrequenz auf nur vier Atemzüge pro Minute. Du kannst diese Atmung beliebig lange durchführen:

1. Atme für vier Sekunden durch die Nase, sodass die Lungen vollständig gefüllt sind.

2. Halte für vier Sekunden die Luft an.

3. Atme langsam aus während du vier Sekunden zählst.

4. Halte erneut für vier Sekunden die Luft an, während die Lungen leer bleiben und fange dann von vorne an.

#trainyourbrain

Wenn dich dieser Artikel interessiert hat und du mehr zu diesem Thema wissen möchtest, dann kontaktiere uns gerne via info@neuro11.de. Wir freuen uns auf deine Anfrage.

Referenzen

[1] Youtube Video über Atmung Link

[2] Frontiers in Human Neuroscience Artikel Link

[3] Cell Artikel Link

[4] International Review of Sport and Exercise Psychology Buch Link

[5] Neuroscience & Biobehavioral Reviews Artikel Link

[6] Frontiers in Neuroscience Artikel Link

[7] Frontiers in Psychology Artikel Link

[8] Breathe Artikel Link

[9] Frontiers in Neuroscience Artikel Link

[10] Journal of Neuroscience Artikel  Link

[11] Human Movement Science Artikel Link

[12] Youtube Video über Hyperventilation Link

[13] Brain Research Artikel Link

[14] Proceedings of the National Academy of Sciences Artikel Link