Parameter, welche die Schießleistung beeinflussen
- Andreas Schwaab
- Sportarten
„Die Faszination des Schießsports hängt fast ausschließlich davon ab, ob man sich am richtigen oder falschen Ende der Waffe befindet.“
– P.G. Wodehouse (1881-1975)
Schießen ist eine der technisch anspruchsvollsten Sportarten, bei der selbst die kleinsten Fehler in der Technik dazu führen können, dass die sehr kleinen Ziele verfehlt werden. Stellen Sie sich ein 5cm großes Ziel in 10m Entfernung vor: Wenn Sie nur 0,3° daneben zielen, verfehlen Sie das Ziel [1]. Daher ist der wichtigste Faktor, an dem Elite-Schütz*innen unglaublich detailliert arbeiten müssen, die Standardisierung ihrer technischen und psychologischen Routine. So können sie hunderte Male hintereinander perfekte Schüsse abgeben, ohne ein einziges Ziel zu verfehlen. Obwohl professionelle Skeet-Schütz*innen in der Hand-Augen-Koordination und im visuellen Gedächtnis deutlich besser abschneiden als Nicht-Sportler*innen [2], passieren Fehler beim Schießen sehr häufig. Was sind also die Schlüsselfaktoren in den Routinen der Topschütz*innen, welche die Schießleistung beeinflussen?
Externe Faktoren
Elite-Schütz*innen müssen sich an ihre Umgebung anpassen, da externe Faktoren möglicherweise einen Einfluss darauf haben, ob man das Ziel trifft oder nicht. Überraschenderweise haben Forscher*innen herausgefunden, dass das Fallen der Umgebungstemperatur keinen Einfluss auf die Schießleistung hat [3]. Die Forschung zeigt jedoch, dass eine Temperaturverschiebung in jegliche Richtung die sensorische Wahrnehmung beeinträchtigen kann, was sich möglicherweise negativ auf die Schießleistung auswirkt [4]. Darüber hinaus kann es sogar wichtig sein, zu berücksichtigen, wie sich ein Wechsel der Kleidungsschichten auf den Halt des Gewehrs auswirkt [5]. Windgeschwindigkeit und -richtung sind ein weiterer wichtiger Faktor, der berücksichtigt werden muss, da selbst geringe Auswirkungen auf die Kugeln ausreichen, um ihren Weg so leicht zu verändern, sodass man sein Ziel verfehlt. Den Wind richtig zu lesen erfordert viel Erfahrung und ist eine Fähigkeit, die notwendig ist, um ein*e erfolgreiche Schütz*in zu werden [6].
Technische Aspekte
Einer der wichtigsten Aspekte, die Elite-Schütz*innen kontrollieren müssen, ist das physiologische Zittern beim Zielen, da diese unwillkürliche Bewegung in negativer Korrelation zur Schießleistung steht [1]. Es wurde hierbei untersucht, wie dieses Zittern durch verschiedene Methoden beeinflusst werden kann. Eine dieser Methoden war die lokale Abkühlung des Unterarms, welche das Zittern deutlich reduzierte [7]. Interessanterweise zeigt dieses Ergebnis einen positiven Effekt von Abkühlung auf die Schießleistung, im Gegensatz zu den oben erwähnten Temperaturabnahmen, die keine Auswirkung hatten [3]. Darüber hinaus haben Studien ergeben, dass einige technische Komponenten wichtiger sind als andere, um präzise Schüsse abzugeben. Die Stabilität des Halts des Gewehres, die Sauberkeit mit welcher der Abzug betätigt wird, die Zielgenauigkeit und das Timing, wann der Abzug ausgelöst wird machen 81 % der Varianz in der Punktzahl bei Elite-Luftgewehrschütz*innen aus, während die Gleichgewichtsfähigkeit der Körperhaltung nur weniger als 1 % ausmacht [8]. Dies wurde durch eine andere Studie bestätigt, die auch zeigte, dass die Zielfähigkeit die wichtigste Komponente ist und alleine bereits 28,5 % der Varianz beim stehenden Schießen erklärt [9]. Am häufigsten wird die Punktzahl bei Schießwettbewerben mit Luftgewehren dadurch bestimmt, wie nah man an die Mitte eines Kreises schießt, wobei die Mitte 10 Punkte ergibt und die Punktzahl abnimmt, je weiter man vom Zentrum entfernt trifft [10]. Die Punktzahlen zwischen den Teilnehmer*innen sind häufig sehr nah beieinander, wodurch schon der kleinste Fehler zwischen Sieg und Niederlage entscheidet. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass diese technischen Faktoren in einer komplexen Beziehung zueinander stehen, bei der eine Ungenauigkeit in einem einzelnen technischen Aspekt einen anderen beeinflusst, was sich letztlich auf das Ergebnis des Schusses auswirkt [11]. Daher ist es nicht immer einfach festzustellen, aufgrund welchen technischen Fehlers der Schuss tatsächlich das Ziel verfehlt hat. Daher ist es das Ziel aller Elite-Schütz*innen, einzelne technische Fehler zu minimieren, die sich auf den gesamten Schuss auswirken. So führt beispielsweise ein erhöhter Puls aufgrund von Nervosität zu mehr Bewegung im Körper und kann daher möglicherweise zu mehr Schießfehlern führen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Elite-Schütz*innen kurz vor einem Schuss eine deutlich niedrigere Herzfrequenz haben als Anfänger*innen. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Herzfrequenzvariabilität – die Differenz der Intervalle zwischen den Herzschlägen – ein signifikanter Prädiktor für die Schussleistung ist [12]. Dies deutet auch auf den psychologischen Zustand völliger Ruhe hin, in dem sich Spitzenschützen oftmals vor einem Wettkampf befinden.
Je standardisierter eine Sportart ist, desto wichtiger sind gleichbleibende mentale Routinen.
Wenn eine Sportart stark standardisiert ist und Hunderte von Wiederholungen umfasst, spielt der mentale Aspekt eine größere Rolle, da es mit zunehmender Dauer des Schießens schwieriger wird, sich optimal zu konzentrieren. Aus diesem Grund sollte man die mentale Routine und technischen Fähigkeiten zunächst mit vielen Wiederholungen bei einfachen Schüssen üben. Wenn man dann in der Lage ist, denselben Schuss, egal wie einfach, 200 Mal hintereinander zu treffen, zeigt dies, dass die Technik und mentale Routine vor jedem Schuss ähnlicher werden. Dies hilft bei wichtigen Wettkämpfen, wenn man zusätzlich unter dem Druck steht und den entscheidenden Schuss für den Sieg treffen muss.
Unser Tipp: Siehe Dir das Stechen beim Skeetschießen bei den Olympischen Spielen 2024 an [13]. Es ist zu erkennen, dass die chilenische Athletin vor ihren entscheidenden Schüssen den Kopf unten hält und den Protest ihrer Gegnerin ignoriert. Dies ist ein großartiges Beispiel dafür, wie man sich auf sich selbst und seine Routine vor dem Schuss konzentriert, um im Rhythmus zu bleiben, egal wie hoch der Druck ist.
#trainyourbrain
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Referenzen
[1] Experimental Psychology Artikel: Link
[2] International Journal of Environmental Reserach and Public Health Artikel: Link
[3] Aviation, Space and Environmental Medicine Artikel: Link
[4] European Journal of Applied Physiology Artikel: Link
[5] Fieldsports Journal Blog: Link
[6] Precision shooting Blog: Link
[7] Journal of Sports Sciences Artikel: Link
[8] Scandinavian Journal of Medicine and Science in Sports Artikel: Link
[9] Sports Biomechanics Artikel: Link
[10] Wikipedia “Luftgewehrschießen”: Link
[11] International Symposium on Biomechanics in Sport Artikel: Link
[12] Applied Psychophysiology and Biofeedback Artikel: Link
[13] Youtube Video 2024 Olympic Skeet Final Stechen: Link