Gefühlter Druck im Golf
- Andreas Schwaab
- Sports
„Der Kopf vermasselt mehr Schläge als der Körper.“
- Tommy Bolt (1916-2008)
Auf den ersten Blick erscheint Golf wie der einfachste Sport der Welt: Man muss einen Ball mit ca. 43mm Durchmesser innerhalb der Grenzen eines Rasenplatzes mit so wenigen Schlägen wie möglich in ein Loch mit einem Durchmesser von 108mm befördern. Paradoxerweise ist es aber gerade diese Einfachheit, die Golf zu einer der nervenaufreibendsten Sportarten macht. Im Laufe der Jahre bescherte uns der Golfsport unvergessliche Momente, in denen Spieler*innen auf den letzten Löchern einen souveränen Vorsprung verspielten und zeigten, wie schnell mentaler Druck auch das souveränste Spiel zusammenbrechen lassen kann [1,2].
Ist der Putt der wichtigste Schlag im Golf?
„Ich denke, Druck ist ein Privileg, und ich habe mir das Recht verdient, diesen Druck zu spüren. So versuche ich es zu sehen und es nicht zu verkomplizieren“ – Ludvig Åberg [3]
Während unseres gemeinsamen Trainings brachte Ludvig die Essenz seines Mindsets auf den Punkt. Aber warum nimmt der Druck im Golf so schnell zu und führt oft zu dem berüchtigten „Choking under Pressure“? Ein Grund liegt in den extrem engen Abständen im Profigolf, wo viele Spieler*innen in der Rangliste gleichauf liegen und sich das Preisgeld für eine bestimmte Position teilen. Wenn das Turnier seinen Höhepunkt erreicht, entscheiden oft die letzten Putts über die Endplatzierungen. Da Profis in ihrem langen Spiel brillieren, kann ein einziger verpasster oder gelungener Putt den Unterschied zwischen dem Gewinn eines Titels oder dem Verlust von Hunderttausenden Dollar ausmachen. Dass an dem Sprichwort „Drive for show, putt for dough“ etwas dran ist, beweisen die Daten der PGA Tour 2022. Daraus wird ersichtlich, dass das Putten einen größeren Einfluss auf die Höhe des Preisgeldes hat als der Abschlag vom Tee [4]. Der Druck kann überwältigend sein, wenn bei einem einzigen Schlag so viel Geld auf dem Spiel steht und selbst Top Golfer*innen sind in diesen Situationen durchaus anfällig. Eine Studie über die PGA Tour von 2004 bis 2012 zeigte auf, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Putt zu machen, am letzten Loch eines Turniers signifikant abnahm, je mehr Geld mit dem Putt zu gewinnen war [5].
Intensiver Druck kann zu Verlustaversion führen.
Wenn Menschen beginnen, sich aufgrund einer fehlerhaften subjektiven Wahrnehmung und nicht aufgrund objektiver Informationen irrational zu verhalten, unterliegen sie, was in der Psychologie als kognitive Verzerrung bezeichnet wird [6]. Hierbei führt der psychische Druck auf Golfer*innen, beim Putten keinen Schlag gegen die Konkurrenz zu verlieren, zu der kognitiven Verzerrung namens „Verlustaversion” [7]. Es hat sich gezeigt, dass Golfer*innen lieber einen sicheren Putt spielen, wenn sie die Chance auf einen Birdie haben, um mit hoher Wahrscheinlichkeit Par zu spielen, statt das Risiko einzugehen, einen Bogey durch einen riskanten ersten Putt aufgeschrieben zu bekommen [8]. Umgekehrt neigen Golfer*innen dazu riskantere Putts zu spielen, um ein Bogey zu vermeiden, wenn sie versuchen, das Par zu halten. Diese Verlustaversion kostet den durchschnittlichen Profi etwa einen Schlag pro 72-Loch-Turnier und die besten 20 Golfer etwa 1,2 Millionen Dollar an Preisgeldern pro Jahr [9]. Spitzengolfer*innen können jedoch auch unter Druck Höchstleistungen erbringen und scheinbar jeden Putt versenken, wenn es darauf ankommt. Je besser Golfer*innen spielen, desto mehr überschätzen sie den Durchmesser des Lochs beim Putten [10], was bedeutet, dass es sich für sie einfacher anfühlt, zu putten.
Mit unserem neuropsychologischen Training und Analysen auf und neben dem Platz helfen wir Golfer*innen, personalisierte Routinen zu entwickeln, die den wahrgenommenen Druck reduzieren und es ihnen ermöglichen, mental in „The Zone” zu kommen. Dieser mentale Vorteil kann den Unterschied zwischen einem erfolgreichen oder einem verfehlten entscheidenden Schlag oder Putt ausmachen.
Unser Tipp: Mach Dir Deine mentalen Prozesse so klar wie möglich, bevor Du in eine Situation mit hohem Druck gerätst. Brett- und Kartenspiele sind beispielsweise eine hervorragende Möglichkeit, um sich selbst besser kennenzulernen, da man hierbei spielerisch entscheiden muss, wie viele Risiken man eingehen möchte, um zu gewinnen. Lerne deine Persönlichkeit besser kennen und nutze dieses Wissen als Vorteil im Wettkampf.
#trainyourbrain
Wenn dich dieser Artikel interessiert hat und du mehr zu diesem Thema wissen möchtest, dann kontaktiere uns gerne via info@neuro11.de. Wir freuen uns auf deine Anfrage.
Referenzen
[1] Video “Choking under Pressure” in Golf: Link
[2] Video der letzten Runde der US Open 2024: Link
[3] Video mit Ludvig Åberg: Link
[4] Modell des wertvollsten Schlags in Golf: Link
[5] Journal of Economic Behavior & Organization Artikel: Link
[6] Wikipedia “Kognitive Verzerrung”: Link
[7] Wikipedia “Verlustaversion”: Link
[8] University of Wharton Artikel: Link
[9] Verlustaversion in Golf und Business: Link
[10] Psychonomic Bulletin & Review Artikel: Link